Interview mit dem Sportchef der Bienna Jets
Harald Stadler, Sportchef der Bienna Jets, resümiert die abgelaufene Saison 2023 und gibt Einblicke in die Planungen für die kommende Saison 2024.
Die NLB-Saison der Jets ist nun seit anderthalb Monaten beendet was ist das Fazit?
Mit dem Einzug in die NLB-Playoffs wurde das anvisierte Ziel der Regular Season erreicht. Zu Beginn der Saison durfte man dies nicht als selbstverständlich betrachten. Etliche Herausforderungen haben die Vorbereitung ab Januar belastet, als dass die Playoffs aus dem Stand möglich gewesen wären.
Wie müssen wir uns das vorstellen?
Ein QB, welcher bis zum dritten Spieltag nur angeschlagen spielen konnte. Verletzungen von etlichen Spielern kurz vor dem Saisonstart und viele kleine Dinge, welche sich in der Summe herausfordernd darstellten. Kommt hinzu, dass wir wie in den vergangenen Jahren nicht gleich schnell aus den Startpflöcken gekommen sind, wie andere Teams. Das machte es in Jahren ohne Playoffs schwierig am Ende der Saison die verlorenen Punkte für ein allfälliges Finalspiel noch aufzuholen.
Die Playoffs sind also ein Segen für die Jets?
Ich hoffe nicht nur für uns, sondern für die Liga als Ganzes. Im Gegensatz zum Fussball gehören die Playoffs zur DNA unseres Sports. Aber ja, Playoffs helfen uns. Dennoch, die fehlende Konstanz zu Beginn der Meisterschaft und in diesem Jahr noch mit weiteren Leistungsschwankungen, machen dich als Funktionär fast irre und du fragst dich, wie kann man das abstellen.
Wie können diese Defizite behoben werden?
Sicher nicht, wenn ich mich ins Tagesgeschäft einmische. Dafür sind die Coaches näher dran und haben vor allem die Tools dies anzugehen im Training. Ich versuche mich auf die organisatorischen Aspekte außerhalb des Feldes zu fokussieren und dort meine Arbeit korrekt zu erledigen. Ich kann meine Eindrücke platzieren und helfen im Rahmen meiner Funktion das Thema mithelfen zu lösen. Dies wird eine der Hauptaufgaben in der Vorbereitung des Coaching-Staff sein und mitunter auch der Spieler. Es ist ein Fakt, dass wir jedes Jahr, aus verschiedenen Gründen, Abgänge haben und relativ viele neue unerfahrene Spieler (Rookies) integrieren müssen/dürfen und so immer wieder eingebremst werden in unserer Weiterentwicklung.
Eigentlich erstaunlich, dass wir trotzdem immer wieder mithalten können in der NLB. Dennoch muss jedem einzelnen klar werden, dass sich der Sport unabhängig von diesem ständigen Wechsel, weiterentwickelt und es mehr braucht als 2-3 mal pro Woche sich im Training mit dem Sport zu befassen. Die Phasen der individuellen körperlichen Vorbereitung (Kraft/Ausdauer etc.) der Auseinandersetzung der Spielanleitung/ Analyse des eigenen Spiels sind ebenso wichtig, wie das geführte Teamtraining. Letzteres können wir als Klub zu 100% steuern. Die individuelle Arbeit ist in der Verantwortung jedes einzelnen Spielers. Es ist die Pflicht jedes einzelnen Spielers, individuell an sich zu arbeiten. Bei uns, im Profisport und auch im täglichen Leben.
Wie soll dies erreicht werden?
Dieses Aha-Erlebnis sollte eigentlich jedem wie ein Knall im Ohr bewusst geworden sein, nach der Niederlage in den Playoffs. Aus meiner Sicht das Gesamtresultat der kleinen individuellen Dinge die eben nicht geleistet wurden im Laufe der kompletten Saison. Die Liga war so spannend und knapp wie nie zuvor. Da kommt es auf die Details an. Jeder der vier Playoffs Teilnehmer hatte die Chance auf den NLB-Titel. Am Ende wäre eine Finalteilnahme möglich gewesen, aber an diesem Abend hat zu vieles nicht gepasst.
Kling nach einer vergebenen Chance?
Jede Niederlage in einem KO-System ist eine verpasste Chance. In dieser Teamsportart geht es nur als Einheit, welche sich auch als Gemeinschaft weiterentwickeln will, aber die Selbstreflexion in solchen Momenten hat dann kein Platz.
Heikles Thema?
Ja und da könnte ich teilweise aus der Haut fahren, wenn ich die Kommentare höre und lese, weshalb man ständig zu Höherem berufen ist. Mehr Teamgedanke und fürs Team arbeiten, ist ein wichtiger Teil der Lösung. Wer sich aufgrund einer ansehnlichen persönlichen Spielerstatistik bei einer Niederlage selbst aus der Verantwortung nimmt, schein den Begriff „TEAM“ nicht zu verstehen.
Was fehlt den?
Es braucht zwei Dinge Spieler und Coaches die den Verein als Einheit weiterbringen und dann auch einen Weg zurückblicken können, es zusammen geschafft zu haben. Thun ist für mich das Beispiel für klare Regeln und diese durchgezogen zu haben. Das Resultat durften sie mit der ersten Swissbowl Teilnahme als Erfolg verbuchen. Der zweite Punkt sehe ich zu Teilen in den Händen des Vereins resp. meinen. Wir bieten, ob Sommer oder Winter eine top Infrastruktur und sorgen für die Einnahmen außerhalb der Mitgliederbeiträge. Beide Seiten können sich gegenseitig puschen, sportliche Erfolge machen sexy und motivieren den Vorstand noch mehr Geldgeber zu finden.
Die Jets leisten sich den Luxus seit Jahren einen US-Import. Wie sieht es aus für die kommende Saison?
Dass ist kein Luxus in meinen Augen, sondern die Chance, dass Coaches und Spieler von einer professionellen Unterstützung profitieren können. Es ist für viele bei uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Diesem Gedanken widerspreche ich resolut, aber das ist eine feine Linie der Unterscheidung. Wie es im kommenden Jahr aussieht, hängt von zwei Faktoren ab. Grundsätzlich sind wir auf der Suche nach einem QB und würden auch gerne einen Headcoach verpflichten. Da mit dem Abgang von Mathieu Faugére an ein US-College unser QB fehlen wird, braucht es auch einen Ersatz, welcher wir derzeit nicht in unseren Reihen haben.
Dass sieht nach einem großen Spagat aus.
Auf jeden Fall eine spannende Aufgabe mit den zur Verfügung stehen Mittel. Grundsätzlich können wir uns vorstellen mit einem Schweizer QB in die Saison zu gehen. Wenn man bedenkt, dass außer Thun in der NLA nur US-Imports auf dem Feld stehen, könnte ich mir schon vorstellen, dass sich jemand für den Posten bei den Jets interessieren würde, um die Chance auf Spielzeit zu bekommen. Allerdings haben wir zurzeit keine Kontakte, aber wir sind offen für diesen Weg.
Dann wäre ein Coach die 1A Lösung?
Im Endeffekt möchten wir unsere Spieler fördern und ausbilden, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt mit Imports verstärkt werden könnten, wenn dieses Bedürfnis entsteht. Der Coaching-Staff in der NLB wird in der kommenden Saison auf 5 Coaches vergrößert, was auch helfen wird, die Trainings noch strukturierter zu bestreiten. Da kann es nur helfen einen ambitionierten Headcoach in den eigenen Reihen zu haben, welche das Gebilde führt und die nötigen Impulse auch innerhalb des Vereins sorgt. Diese Position ist für mich ebenfalls nicht von der Nationalität des Kandidaten abhängig.
Dann ist Talib Wise wieder ein Thema?
Der Punkt ist nicht ausgeschlossen, aber wie gesagt es gibt eben auch finanzielle Aspekte, welche uns zu anderen Lösungen führen können. Die Investition muss dem Team nutzen. Welche Lösung am Ende angestrebt wird, hängt von diversen harten Faktoren ab
Die da wären?
Die Finanzen, wie bei allem im Leben. Eine Möglichkeit ist ein QB mit Headcoach-Funktion. Dies hat vor und Nachteile, welche abgewogen werden müssen. Ziel ist es Kontinuität in das Team zu bringen Das heisst, entweder wir können eine längere Zeit mit dem gleichen Staff zusammenarbeiten oder eben mit einem QB.
Sieht nach viel Arbeit aus?
Ich bin zum Glück nicht der Einzige, welcher sich in unserem Verein mit dem Thema befasst, aber ja die nächsten Wochen werden spannend und intensiv.
Was passiert zur Zeit bei den Jets?
Wir haben ja nicht nur das NLB-Team, sondern auch U19 und Flagfootball im Vereinsangebot. Am Montag, 14. August begann für die Junioren wieder ein reduzierter Trainingsbetrieb. Dort sind auch alle Neugierigen/ Rookies eingeladen mitzutrainieren. Wir werden dort bis zum offiziellen Trainingsstart aller Tackle Teams ein offenes Training einmal die Woche organisieren.
Sind Try-Outs geplant
Wir werden eine Combine zum Start des offiziellen Trainingsstarts durchführen, dort ist grundsätzlich jeder Interessierte Athlet eingeladen teilzunehmen. Details werden bis Ende August veröffentlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt können Interessierte auch einfach direkt in unser Montag-Training kommen um mitzumachen.
Wer wird gesucht?
Hier muss man kurz ins Detail gehen. Wir bieten für Mädchen und Knaben ab 10 Jahren Flagfootball an. Für unsere U16 und U19 Tackling Teams suchen wir Jugendliche im Alter zwischen 13-19 Jahren. Für das Herren Team werden junge Männer ab 20 Jahren gesucht. Zu Guter Letzt bieten wir Flagfootball ab 16 Jahren an.
Der Verein wächst also?
Dass ist so, aber wir haben Defizite im Bereich der U16, welche wir ab jetzt mit Blick auf die Herbst-Saison 2024. Deshalb beginnen wir so früh mit dem Juniorentraining, damit wir im Bereich der U19 mit 25 Junioren überwintern können. Ziel ist wieder in der U19 Elite zu spielen im Jahr 2024. Hierzu muss aber ein Effort passieren, damit wir uns im Oktober dort anmelden können. Mit der U16 haben wir Zeit, wollen aber die 12 Monate nutzen, um im Herbst 2024 bereit zu sein
Was passiert im Bereich Flag?
Auch dort werden wir dahin arbeiten, dass wir für Mädchen und Knaben der Kategorie U13/ 16 in die Saison 2024 starten können. Auch hier hat das Training bereits wieder begonnen. Hinzu kommt, dass mit den Ultimate-Flag noch ein Team aktiv in der Meisterschaft unterwegs ist. Ziel ist es dort, schnellstmöglich in die NLB aufzusteigen. Das Team belegt derzeit den ersten Rang NLC (gem. NFFLC Tabelle), was die Chance am Leben erhält am Finalturnier im Herbst teilzunehmen.
Bei so vielen Teams braucht es auch Trainingsmöglichkeiten
Wir sind in Biel in der glücklichen Lage, dass wir dies im Rahmen der städtischen Möglichkeiten abdecken können. Wir haben verfügbare Rasenplätze von Frühling bis Herbst mit mittlerweile modernen Garderoben. Im Winter können alle Junioren unter 15 Jahren in den Städtischen Hallen nutzen inkl. regelmäßigen Samstagtrainings in 3fach Hallen der Stadt Biel. Zusätzlich können wir im Winter zwei Mal in der Woche auf Kunstrasen trainieren in der Tissot Arena. Dort wurde im letzten Frühling ein zweites Football Feld für uns mitgebaut. Weiter haben wir eine Partnerschaft mit dem Gym „La Salle Du Temps“ in Biel, welche den Spielern verbilligte Trainingsmöglichkeiten anbietet im Rahmen der Vereinsmitgliedschaft. Zusätzlich haben wir noch Optionen in Magglingen, welche wir hinzu mieten können. Es gibt sicher noch kleine Verbesserungen, aber ich bin überzeugt nicht jeder Verein in der Schweiz hat diese Möglichkeiten.
Kling professionell?
Bei der Infrastruktur sind wir fast bei 90% angekommen, was ein Verein in unserem Sport einem Athleten anbieten kann. Dies hat viele Jahre gedauert und gefühlt unendlich viele Gespräche benötigt, aber das Resultat spricht aus meiner Sicht für sich. Die Trainingsinfrastruktur ist parat für den nächsten Schritt. Jetzt fehlt der Schritt ins Stadion der Tissot Arena, aber da braucht es andere Verhandlungsstrategen als mich.
Als letzte Frage. Was passiert in der nächsten Zeit?
In der ersten Phase, in welcher wir uns jetzt befinden, das freiwillige Aufbautraining und die Weichenstellung mit den Coaches wie wir uns aufstellen wollen inkl. Mittelbeschaffung für diese Ziele. Ab Oktober starten wir in die zweite Vorbereitungsphase und ab Januar liegt der Fokus auf den Meisterschaftsstart.
Ansonsten kann jeder die Planung unter folgendem Link einsehen: https://www.biennajets.com/footballprogramm/